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Vitali Brumm an seinem Arbeitsplatz. Foto: Raidt

Gelebte Inklusion – Vitali Brumm geht seinen Weg

Das Telefon klingelt, Vitali Brumm tippt auf seine Computertastatur und rückt sein Headset zurecht

Soest/Dortmund: "Finanzamt Dortmund-Hörde, guten Tag", sagt er. Der Anrufer fragt nach der Bankverbindung des Finanzamtes. Brumm tastet mit der linken Hand nach einem Blatt Papier, fährt mit den Fingerspitzen über eine Zeile winziger ein­ge­stanzter Erhebungen und gibt dann die Zahlenfolge durch. Der Telefonist ist blind; alle wichtigen Informationen wie E-Mail-Adressen, Öffnungszeiten und Kontoverbindungen hat er sich in Brailleschrift notiert.

Eine Bildschirmlesesoftware ermöglicht ihm die Arbeit mit dem Computer; eine sogenannte Braillezeile unterhalb der Tastatur ersetzt den Bildschirm. "Jeweils acht kleine Erhebungen stellen ein Zeichen dar, insgesamt kann die Zeile bis zu 80 Zeichen abbilden", erklärt der 25-Jährige. "Gerade bin ich zum Beispiel in der Datenbank und suche den Ansprechpartner für eine bestimmte Steuernummer heraus." Je nach gewähltem Bildschirmausschnitt kann er auch ablesen, ob externe oder interne Anrufe eingehen und wie viele Anrufer gerade in der Warteschleife sind. "Wenn Bürger Fragen zu ihrer Steuererklärung haben, verbinde ich sie mit ihrem Sachbearbeiter", sagt Brumm. "Für Fragen zur Steuerklassenänderung haben wir eine spezielle Hotline, zu der ich durchstellen kann."

Abschluss mit Bestnote

Der Telefonist hat beim LWL-Berufsbildungswerk Soest eine Ausbildung zum Fachpraktiker für Bürokommunikation absolviert. Auf dem Lehrplan standen Schriftverkehr, Rechnungswesen, Terminplanung und Auftragsbearbeitung im Einkauf, Lager oder Verkauf; in den Abschlussprüfungen erreichte Brumm die Bestnote 1,0. Dafür zeichnete ihn die Industrie-und Handelskammer (IHK) als einen der landesweit herausragenden Auszubildenden aus.

Gemeinsam mit 264 weiteren Azubis aus sämtlichen Branchen nahm er auf der Bühne der Düsseldorfer Tonhalle eine Urkunde entgegen und hörte den Sänger Clueso, den die IHK als Überraschungsgast eingeladen hatte. "Das war ein besonderer und aufregender Tag", sagt der Absolvent, den der Leiter des Berufsbildungswerkes, Erwin Denninghaus, nach Düsseldorf begleitete. Brumms Einsatz während seiner Ausbildung und der Abschlussprüfungen machte sich auch durch einen nahtlosen Übergang ins Berufsleben bezahlt: Schon einen Tag nach der letzten Prüfung trat er die Stelle bei der Finanzverwaltung NRW an.

„Zu meiner Ausbildung gehörten 26 Wochen Praktika außerhalb des Berufsbildungswerks, um Erfahrungen in verschiedenen Bereichen zu sammeln“, erläutert der junge Mann, der im Jahr 2005 mit seiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland zog und heute in Dortmund lebt. Das letzte dieser Praktika absolvierte er im Finanzamt Hörde; als seine Ausbildungszeit vorbei war, wurde er dort eingestellt.

„Er hat sich in kurzer Zeit sehr gut in seine Aufgaben eingearbeitet“, blickt Dienststellenleiterin Mariegret Grotefels zurück, „deshalb haben wir ihn eingestellt, als unser früherer Telefonist in den Ruhestand ging.“ Auch Brumms Vorgänger war blind, sodass die Telefonzentrale bereits barrierefrei eingerichtet und mit Software und Braillezeile ausgestattet war.

Mit der Wahl ihres neuen Mitarbeiters ist Mariegret Grotefels sehr zufrieden: „Vitali Brumm ist ein sehr zuverlässiger und freundlicher Kollege“, lobt sie, „wir arbeiten alle sehr gern mit ihm zusammen.“ Auch Brumm ist glücklich an seinem Arbeitsplatz. „Ich spreche mit vielen verschiedenen Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten“, schildert er, was ihm am besten gefällt. „Viele Anrufer sind aufgeregt, und manche verstehen gar nicht, worum es zum Beispiel in einem Bescheid des Finanzamtes geht. Es ist schön, wenn ich ihnen helfen kann.“ Daran, dass er hin und wieder auch mit unfreundlichen Gesprächspartnern zu tun hat, hat er sich inzwischen gewöhnt: „Aufgebrachte oder verärgerte Anrufer neigen dazu, den erstbesten Mitarbeiter zu beleidigen. Als Telefonist darf man so etwas nicht persönlich nehmen.“